Vorab: Der Arbeitsausschuss KU-AK 7 „Ressourcenschutz und umweltverträgliche Produkt- und Prozessgestaltung“ im DIN-Normenausschuss Koordinierungsstelle Umweltschutz (KU) hat die Technische Spezifikation DIN/TS 35205 (September 2024) herausgegeben. Diese ist kostenlos über den Webshop der DIN Media GmbH herunterladbar.
Solche Technischen Spezifikationen sind Bestandteil des Deutschen Normenwerks und sind Ergebnis einer Normungsarbeit, die aber aufgrund bestimmter Vorbehalte zum Inhalt noch nicht als DIN-Norm herausgegeben werden.
Zum Inhalt: Die sog. Abfallrahmenrichtlinie 2008/98/EG adressiert Abfallvermeidung sowie die Ressourcenschonung. Dabei nimmt die Wiederverwendung eine wichtige Rolle ein. Darüber hinaus wird dieser Produktaspekt zunehmend in nationalen Rechtsvorschriften aufgegriffen.
Die Abfallrahmenrichtlinie gibt eine Prioritätenreihenfolge vor. Dabei steht die Abfallvermeidung an oberster Stelle. Sie verpflichtet aber auch die Mitgliedstaaten dazu, Maßnahmen zur Förderung der Wiederverwendung im Rahmen der nationalen Programme zur Abfallvermeidung zu ergreifen und Daten über die Wiederverwendung zu übermitteln.
In Deutschland setzt das sog. Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) die Abfallhierarchie aus dieser EU-Richtlinie 2008/98/EG national um.
Im KrWG § 6 ist in der Abfallhierarchie die Vermeidung die erste Stufe, die aber nicht dem Abfallrecht unterliegt. Die folgenden 4 Ebenen unterliegen dagegen dem Abfallrecht:
- Vorbereitung zur Wiederverwendung
- Recycling
- Sonstige Verwertung
- Beseitigung
Auf Grundlage des Deutschen Ressourceneffizienzprogramms (ProgRess) hat Deutschland im Jahr 2012 Ziele, Leitideen und Handlungsansätze zum Schutz der natürlichen Ressourcen festgelegt. Auf Basis eines Fortschrittsberichts, welcher an den Deutschen Bundestag gerichtet war, wurden am 2. März 2016 mit ProgRess II und am 17. Juni 2022 mit ProgRess III die zweite Fortschreibung im Bundeskabinett verabschiedet.
Dabei beinhaltet die ProgRess III die Maßnahme Nr. 50. Diese besagt, dass Marktakteure bei der Setzung von Qualitätsstandards für die Prüfung, Reinigung und Reparatur unterstützt werden sollen. Diese DIN/TS mit dem Titel „Leitfaden zur Wiederverwendung und Vorbereitung zur Wiederverwendung von Elektrogeräten, Textilien, Möbeln und weiteren haushaltsüblichen Gegenständen - Empfehlungen für Aufbau, Durchführung und Optimierung entsprechender Geschäftsmodelle“ soll gewerblichen Anwendern beim Aufbau und der Optimierung der Prozesse in den jeweiligen Wiederverwendungsunternehmen unterstützen.
Zudem sind im Zusammenhang mit der Wiederverwendung von Gegenständen viele Begriffe im Umlauf, die teilweise unzutreffend, beliebig oder unscharf verwendet werden. Im Interesse einer einheitlichen Terminologie soll diese DIN/TS dazu beitragen, eine einheitliche und eindeutige Anwendung der Begriffe zu ermöglichen.
Im Anwendungsbereich dieser DIN/TS werden folgende Produktgruppen berücksichtigt:
- Elektrogeräte (braune Ware, weiße Ware, ITK-Produkte, Haushaltskleingeräte, usw.)
- Möbel
- Textilien
- Hausrat wie Bücher, Tonträger, Spiele oder Gartenzubehör
- Sportgeräte inklusive Fahrräder
Im Abschnitt 4.1.2 werden u. a. Hintergrundinformationen zum rechtlichen Kontext gegeben. Hier werden u. a. der Blue Guide 2022, die Harmonisierungsrechtsvorschriften bzgl. der CE-Kennzeichnung von Produkten aber auch die Produkthaftungsrichtlinie in der geltenden Fassung (85/374/EWG) referenziert. Dabei geht es u. a. um die Aufarbeitung von Produkten, die Instandhaltung sowie die wesentliche Veränderung von Produkten.
Hier sind v. a. D. folgende Handlungsempfehlungen für die Aufarbeiter von großer Relevanz:
- Der Erhalt der Produktkonformität des Produktes durch die Verwendung der Spezifikation des Herstellers für entsprechende Ersatzteile ist sicherzustellen.
- Ein ausreichender Versicherungsschutz für den Aufarbeitungsbetrieb für Schäden aus der Produkthaftung sollte sichergestellt werden.
In der ersten Bewertung stellt dieser Leitfaden ein nützliches Dokument dar. Es bleibt abzuwarten, ob zu einem späteren Zeitpunkt diese DIN/TS in das Deutsche Normungswerk übernommen wird.
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass in der nächsten Dekade der Umweltaspekt (neben den klassischen Produktkonformitätsaspekten wie Sicherheit, Cybersecurity, elektromagnetische Verträglichkeit und anderen Anforderungen) in Bezug auf den gesamten Produktlebenszyklus maßgeblich die Industrie beschäftigen wird. Stichwörter sind hier Kreislaufwirtschaft, Green Deal, Right 2 Repair, um nur einige zu nennen. Wirtschaftspolitisch stellt sich aktuell die Frage, wie die Unternehmen und dabei insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) hier noch Schritt halten können und überhaupt in der Lage sind, diese zunehmenden regulatorischen Anforderungen konform umzusetzen. Es wächst der Eindruck, das hier überreguliert wird.
Autor
Dipl.-Ing. (FH) Michael Loerzer
Regulatory Affairs Specialist